Die Mönchsgrasmücke - langer Weg zur Lösung
Bis ich endlich heraus gefunden hatte, dass es sich bei diesem Vogel - den ich in Frankreich fotografiert habe - um eine Mönchsgrasmücke handelte, ist einige Zeit ins Land gegangen. In Deutschland hatte ich diesen Vogel noch nie gesehen, geschweige denn an einem Vogelhaus beobachten können.
Mittlerweile weiß ich auch warum, denn die Mönchsgrasmücken brüten zwar hier in Deutschland, ziehen aber für den Winter ganz überwiegend in den Süden.
Doch jetzt zu der langen Geschichte:
Entdeckt habe ich den kleinen hellbraunen Vogel in Nordfrankreich im Sommer. Um genau zu sein, auf der Halbinsel Saint-Jacut-de-la-Mer im Garten eines Ferienhauses. Dort saß er auf einem Strauch und steckte den Schnabel immer wieder in die Blüten. Auffällig war eine orange Kappe auf dem Kopf. Erst dachte ich, es könnte ein Spatz sein, dem einfach etwas Blütenstaub am Kopf hängen geblieben ist.
Am nächsten Tag habe ich den putzigen kleinen Vogel wieder im Garten entdeckt, und immer noch (oder schon wieder?) hatte er diese orange Farbe auf dem Kopf. Später tauchten an dem blühenden Strauch noch zwei Vögel dieser Art auf. Und auch sie waren oben auf dem Köpfchen mit dem orangen Farbtupfer geschmückt.
Da dachte ich mir, das kann doch kein Zufall sein. Es können doch nicht alle Vögel hier einen bunt gepuderten Kopf haben! Also grübelte ich, welche Vogelart wohl eine orange Zeichnung auf dem Kopf hat. Da ich jedoch kein Bestimmungsbuch dabei hatte, kam ich nicht weiter.
Das hier ist keine Mönchsgrasmücke
Ein paar Tage später sah ich einen ähnlichen Vogel in Saint-Malo, eine Hafenstadt an der bretonischen Nordseeküste. Und auch dieser Vogel hatte einen orangen Farbtupfer auf dem Kopf. Wieder sind mir ein paar Fotos gelungen.
Zu diesem Zeitpunkt war ich dann vollends überzeugt, dass die orange Farbe zum Vogel gehören muss und eine Zeichnung im Gefieder ist. Es kann ja schließlich nicht sein, dass überall in Nordfrankreich Vögel "geschminkt" durch die Gegend fliegen. Da habe ich mich allerdings geirrt, wie ich später erfahren habe.
Was meinen die anderen?
Nach dem Frankreichurlaub stellte ich die Fotos auf meine Facebook-Seite https://www.facebook.com/VogelhausKunst/ und fragte in die Runde, ob jemand wisse, um welche Vogelart es sich handelt. Erst tat sich nichts, die Sache schien also schwierig zu sein.
Dann wurde zuerst ebenfalls die Vermutung "Spatz mit Blütenpollen" geäußert. Später ging es in Richtung Zeisig, bis die Idee "Birkenzeisig" geäußert wurde. Schnell hatte ich bei Wikipedia nachgeschaut und die Fotos dort verglichen - das bunte Männchen passte nicht recht, aber das Weibchen schien zu stimmen. Ein kleiner Vogel in hellen braunen Farbtönen, der Rücken etwas dunkler, der Bauch etwas heller, und auf dem Kopf ein roter Farbfleck. Ein Birkenzeisig-Weibchen dürfte es also sein - dachte ich zumindest. Das war im November 2014.
Hinweis von der Nordsee-Insel Spiekeroog
Danach tat sich längere Zeit nichts. Ich hatte mittlerweile die Bilder des vermeintlichen Birkenzeisig-Weibchens hier auf dieser Seite gestellt und eine kleine Beschreibung dazu verfasst.
Am 13. August 2015 fand ich dann eine E-Mail in meinem Posteingang, Betreff "Birkenzeisig". Ein Ornithologe von der Insel Spiekeroog machte mich darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Vogel mit dem orangenen Köpfchen nicht um einen Birkenzeisig, sondern um eine weibliche Mönchsgrasmücke handelt.
Es sind wirklich die Feinheiten, die den Unterschied machen. Beim Birkenzeisig ist die Farbzeichnung auf dem Kopf rot, während die Kappe beim Birkenzeisig-Weibchen hellbraun ist. Ein weiterer Unterschied: Das Weibchen der Mönchsgrasmücke hat einen einheitlich aschgrauen Bauch, während das Birkenzeisig-Weibchen etwas gescheckter ist. Nicht einfach auseinander zu halten, daher noch einmal herzlichen Dank für den Hinweis nach Spiekeroog! So wurde diese Seite dann zur Seite über die Mönchsgrasmücke. Und der Birkenzeisig bekam eine eigene Seite.
Nicht jeder Vogel ist eine Mönchsgrasmücke…
So ganz stimmte die Geschichte allerdings immer noch nicht. Denn nicht jeder kleine bräunliche Vogel, der orange Blütenpollen auf dem Kopf hat, ist auch eine Mönchsgrasmücke. Bis ich dies erfuhr, dauerte es wieder über ein Jahr…
Am 11. Februar 2017 fand ich eine E-Mail in meinem Posteingang, der Betreff diesmal "Mönchsgrasmücke als Blütenbesucher". Ein promovierter Diplombiologe aus der Nähe von Bonn hatte meine Seite zu der Mönchsgrasmücke offensichtlich gründlich gelesen, alle Fotos genau betrachtet und einen gravierenden Fehler entdeckt:
Das oberste Foto hier auf der Seite (der Vogel an den Blüten) ist tatsächlich eine Mönchsgrasmücke. Man erkennt sie unter anderem an dem schlanken Insektenfresserschnabel. An der Stirn des Vogels sind die beschriebenen orangen Blütenpollen hängen geblieben. Im "ungeschminkten" Zustand ist der Scheitel der weiblichen Mönchsgrasmücke hellbraun gezeichnet. Und in der Tat, wenn man das Foto ganz oben genau betrachtet, sieht man am hinteren Teil des Kopfes das Hellbraun.
Bei dem zweiten Foto hingegen (der Vogel zwischen den grünen Blättern) handelt es sich nicht um eine Mönchsgrasmücke, sondern um einen Haussperling. Auch hier muss man wieder genau hinschauen. Dieser Vogel hat einen deutlich kürzeren, kräftigen Körnerfresserschnabel. Auch sind das Rückengefieder und der Flügel verwaschen gestreift. Die Mönchsgrasmücke hingegen hat dort kontrastarme graubraune Partien, Streifen sind hingegen nicht vorhanden.
Detailansicht des Schnabels
Noch mehr Erkenntnisse kann man gewinnen, wenn man den Schnabel ganz genau betrachtet. Hierzu noch einmal das vergrößerte Kopfportrait:
Hierzu hat mir der Diplom-Biologe erläutert, dass es sich um einen jungen Haussperling handelt, der noch nicht lange flügge ist. Dies erkennt man an dem noch etwas wulstigen, gelblichen Schnabelspalt (quasi den Mundwinkeln). An dieser Stelle herzlichen Dank für diese lehrreichen Hinweise!
Die Blütenpollen als Nahrung
Ich habe mich also durch die orangen Blütenpollen täuschen lassen. Ich ging davon aus, dass es sich dabei nicht um Pollen, sondern um eine Gefiederzeichnung handelt. Spätestens, nachdem ich an verschiedenen Tagen und an verschiedenen Orten Vögel mit dem orangen Farbtupfer entdeckt habe, hatte ich daran keine Zweifel mehr.
Doch das war nicht richtig. Sowohl die weibliche Mönchsgrasmücke wie auch der junge Spatz hatten an den Blüten genascht. Bei der Pflanze mit den Blüten auf dem ersten Bild handelt es sich übrigens um "Neuseeländischen Flachs" (Phormium tenax), der auch in seinem Ursprungsgebiet von vielen Vögeln besucht wird. Dies liegt daran, dass die Blüten reichlich Nektar enthalten, der den Vögeln ganz offensichtlich gut schmeckt - sei es nun die Mönchsgrasmücke oder eben der Haussperling.
Der Vorteil für die Pflanzen: Die Vögel übertragen dabei die Pollen und bestäuben so die Blüten. Was ansonsten die Bienen besorgen, machen hier die kleinen Vögel. Und dabei müssen sie nicht einmal wie Kolibris vor der Blüte schweben, sondern können sich bequem auf den stabilen Seitenachsen des Blütenstandes setzen. Auch auf diesen Umstand hat mich freundlicherweise der Diplombiologe hingewiesen – schön, dass ich zu meiner Seite eine so umfassende Rückmeldung bekommen habe!
Theorie und Praxis…
Später fiel mir ein: Zumindest hatte ich von der Mönchsgrasmücke schon einmal gelesen – aber eben kein Bild vor Augen gehabt. Der bekannte Ornithologe Josef H. Reichholf beschreibt in seinem sehr lesenswerten Buch "Ornis - das Leben der Vögel" unter anderem am Beispiel der Mönchsgrasmücke das Verhalten von Zugvögeln.
So überwintert ein Teil der Mönchsgrasmücken mittlerweile seit einem halben Jahrhundert in Südengland, anstatt den weiten Weg in die Mittelmeerregion oder gar in das tropische Afrika auf sich zu nehmen. Zudem kehren die Vögel früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurück. Vereinzelt versuchen manche Vögel auch, in Deutschland zu bleiben. Dieses Verhalten wird mit dem Klimawandel und gestiegenen Temperaturen in Zusammenhang gebracht.
Aussehen der Mönchsgrasmücke
Was gibt es sonst noch zur Mönchsgrasmücke zu berichten? Über das Aussehen des Weibchens habe ich bereits viel geschrieben. Bei dem Männchen gibt es einen wichtigen Unterschied: Hier ist die Kappe auf dem Kopf nicht orange, sondern schwarz. Im Gegensatz zum Weibchen, das insgesamt eher bräunlicher gefärbt ist, geht das Männchen zudem etwas mehr in Richtung einer grauen Färbung. Leider habe ich von dem Mönchsgrasmücken-Männchen kein Foto.
Jungvögel ähneln zunächst dem Weibchen und haben ebenfalls eine orangene Kopfzeichnung, bis die männlichen Jungvögel dann im ersten Winter beginnen, sich "umzufärben".
Woher kommt der fromme Name?
Bei Vögeln frage ich mich oft, wie sie wohl zu ihrem Namen gekommen sind, zumindest immer dann, wenn man die Namensbestandteile mit etwas anderem in Verbindung bringen kann. Zum Beispiel bei der Kohlmeise oder auch dem Dompfaff bin ich fündig geworden.
Bei der Mönchsgrasmücke ist es jedoch schwieriger. Wieso wird ein Vogel als "Mücke" bezeichnet? Nun gut, Mücken sind auch fliegende Tiere, aber da hört die Gemeinsamkeit auch schon auf. Zwar ist die Mönchsgrasmücke ein recht kleiner Vogel, es gibt aber durchaus noch zierlichere Arten, wie z.B. den Zaunkönig. Mit der Größe kann es also auch nicht zusammen hängen.
Hat der Name vielleicht etwas mit einer Pflanze namens "Mönchsgras" zu tun? Ein Kraut namens "Mönchsgras" habe ich allerdings bislang nicht finden können. Das kann es also auch nicht sein.
Konzentriert man sich hingegen auf den hinteren Teil des Namens, hat man eine Grasmücke, wobei man sich dann fragt, was diese Grasmücke mit Mönchen oder dem Klosterleben zu tun hat. Die einzige Idee, die ich habe, bezieht sich auf die schwarze Kopfzeichnung des Grasmücken-Männchens. Diese sieht in der Tat aus wie eine Kopfbedeckung. Und Kopfbedeckungen gibt es ja in einigen Religionen.
Nach einigem Suchen bin ich auf eine Kopfbedeckung von Mönchen und Nonnen gestoßen, die "Qob" heißt. Zu dem "Qob" gibt es auch einen kleinen Artikel auf Wikimedia Commons. Wer sich das dem Artikel beigefügte Bild anschaut und parallel Bilder von Mönchgrasmücken-Männchen betrachtet, wird eine gewisse Vergleichbarkeit feststellen können.
Meine Vermutung ist damit, dass der Name der Mönchsgrasmücke mit der mönchsähnlichen schwarzen "Haube" auf dem Kopf des Männchens zusammenhängt. Wieso dieser Vogel allerdings eine "Grasmücke" sein soll, kann ich mir immer noch nicht erklären…
Aber vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen? Wer eine Lösung weiß, kann sich herzlich gerne bei mir melden, die Kontaktdaten finden sich im Impressum!